Der Stadtstreicher – Kolumne 21

Zufriedenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr, liebe Stadträte. Nun, es mag dahingestellt bleiben, ob sich ein kompetenterer Bewerber für Bad Buchau interessiert hätte. Gewollt war es jedenfalls nicht. Der Gemeinderat brachte dies in der Stellenausschreibung des Bürgermeisterpostens ja klar zum Ausdruck: personelle Alternativen nicht erwünscht. Der Amtsinhaber regiert und stellt sich wieder zur Wahl, basta. Eine eventuelle Auswahlchance wurde damit den Wählern nicht zuerkannt. Wenn man will, könnte man auch sagen, die Gemeinderäte haben den Wählern das Rezept verschrieben, das sie gefälligst am Wahltag zu schlucken haben. Diesem Vorwurf hätte man leicht aus dem Weg gehen können. Richtig, bei den Vorgängern Knittel und Müller hat man es auch so gehandhabt. Bei der Abschaffung der Ausschüsse war man allerdings durchaus nicht so traditionsbewusst. Man muss sich schließlich der Zeit und deren Umständen anpassen. Der Amtsinhaber hat auch ohne Führungszeugnis des Gemeinderats normalerweise immer einen Platzvorteil, wenn er in seiner Person gefestigt, geläutert und geachtet ist.

Aber die Ausschreibung passt voll ins Bild. Nach der Meinung des Volkes ist acht Jahre lang nie gefragt worden. Keine Bürgerversammlung , kein Rechenschaftsbericht, kein öffentliches Aufzeigen einer Zielrichtung für Bad Buchau, was ansteht, was mittelfristig verfolgt wird , was langfristig erreicht werden soll. Eine gut verwahrte Agenda (Merkbuch) im Panzerschrank. Drei Arbeitskreise, die über sich selbst beraten. Eine Umfrage über das Progymnasium, von der man nie hörte, ob diese eingesetzt wurde oder ob sie im Papierkorb landete. Die Buchauer sind wirklich geduldige Lämmer. Auch eine Informationsveranstaltung zur Bürgermeisterwahl ist nicht notwendig. Für was auch? Man wurstelt halt so vor sich hin und lässt sich von den dringenden Tagesanforderungen diktieren. Die Vernetzung der einzelnen Mosaiksteine zum angedachten Gesamtbild wird vermisst.

Seid gefälligst zufrieden, mit dem, was auf den Tisch kommt. Das wird bei uns gegessen. Fertig. Schluss. Vielleicht auch noch eine Speisekarte gefällig? Uns reichen schon die paar destruktiven Kräfte, die an unseren Nerven zehren: die abgehalfterten Miesmacher, Paragraphenscheißer, Besserwisser, Nestbeschmutzer, Nörgler. Wollen unseren unbegrenzten Entfaltungsdrang einschränken und unserer geheimen Gestaltungssucht tatsächlich Grenzen aufzeigen. Pochen auf Gesetzestreue und Einhaltung von Regeln, Vorschriften und Protokolle. Lauter so unbedeutende Kleinigkeiten, die nur behindern. Und damit geht man zum Landratsamt ja sogar zum Regierungspräsidium. Bloß um Recht zu bekommen. Dabei vergessen wir dann die Linie, die wir in den Klausuren vorbereitet haben. Da habt ihr euren Dreck, wenn man uns nicht machen lässt, wie wir das so uneigennützig und zielstrebig wollen. Einmal gewählt, wissen wir auch ohne Anhörungen/Befragungen und ohne „amfedersee.de“ am besten, wo euch der Schuh drückt. Schließlich kommuniziert jeder eingehend mit dem Bürger höchst persönlich. Schaut ihm tief in die Augen und liest daraus!

Ich beneide den Bürgermeister aber auch die Gemeinderäte um diese Selbstherrlichkeit und Selbstüberzeugung. Als Stadtstreicher bin ich nämlich immer sehr verunsichert bei meinem Auftreten aber auch bei meinem Vorgehen. Mir fehlt einfach diese unbeugsame Einstellungskraft. Natürlich stehe ich auch nicht so in der Öffentlichkeit, brauche keine Einladungen, Empfänge und Galas zu besuchen. Da wird man mit der Zeit natürlich schon von einem gewissen überheblichen Getue angesteckt. Immer in abgehobener Gesellschaft, kann sogar die Bodenhaftung lösen. Nach solchen Strapazen und harter Tagesarbeit soll man noch Sitzungsunterlagen durcharbeiten, sich über fremde Gebiete fachkundig machen, um bei der Gemeinderatssitzung klare Vorstellungen entwickeln zu können? Schon viel verlangt, das muss ich zugeben. Manchmal sicher auch eine Überforderung der Kräfte. Aber dafür haben wir ja unseren Bürgermeister, der in amtlicher Eigenschaft alles einfädelt, in die Wege leitet, aufklärt, entscheidungsreif macht, vorträgt, vorschlägt. Er hat damit herausgehobene Stellung und Verantwortung. Und bei unerschütterlichem Vertrauen in diese Führungsposition, ist man schon geneigt ihm auch blind zu folgen. Auch mal zu nicken, wenn man im Zweifel ist, weil man es im Moment einfach nicht besser weiß, bzw. beurteilen kann. Verzeihlich und auch irgendwie verständlich, das muss man vorbehaltlos zugestehen.

Was ich dann aber vehement verurteile, ist, an einer solchen Entscheidung festzuhalten, einen Irrtum zu leugnen, wenn man mehrfach belegt bekommt, dass die Sachen einfach nicht richtig gelaufen sind. Uneinsichtigkeit, Arroganz, Selbstherrlichkeit, Trotz, Sturheit, Abgebrühtheit? Ab diesem Zeitpunkt ist schonungslose, harte Kritik angebracht. So was kann sich eine Privatperson vielleicht noch leisten, aber kein Volksvertreter. Alles Gestammle und Geschiebe macht das nur noch schlimmer, beschädigt Amt und Charakter (beim Bürgermeister zusätzlich seine Vertrauensstellung). Selbst ein zum Sündenbock gestempelter kann davon nicht ablenken, so gerne sich das manche wünschen würden. Dabei ist Weiss für die Fehler der anderen gar nicht verantwortlich. Er hat diese nur aufgezeigt. Das wäre übrigens nicht nur seine Pflicht gewesen, sondern auch die der anderen so strammen Stadträte. Sicher ist Stadtrat Weiss auch ein „stacheliger Patriot“, wenn man ihn laufend zum Steinigen an die Wand stellt. Letztendlich fehlt es im Gemeinderat halt einfach an der durchgreifenden Führungskraft und deren neutralen, objektiven und sauberen Lenkung.

Gut die Sachen sind gelaufen, der Blick richtet sich in die Zukunft. Kann man bei so einem Verhalten in der Vergangenheit auch auf die Zukunft schließen? Ich befürchte ja. Denn ich habe den Eindruck, nicht nur der geringste Funke an Einsicht, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit hätte irgendwo gezündet. Dabei heißt es schon in der Schule, man hätte nie ausgelernt. Aber wenn man unfehlbar ist, sich selbst und sein Tun nie kritisch in Frage stellt…verrennt man sich halt mal.

Buchau ist schon einfach was Besonderes, Unverwechselbares. Beste Chancen, dass es so bleibt. Von der Poesie des Buchauer Himmels, von dem schon Eduard Mörike schwärmte, bleibt allerdings unter solchen Umständen nicht mehr viel übrig.

Leserbrief in der Schwäbischen Zeitung:

http://www.schwaebische.de/forum/showthread.php?t=2148