Stadtstreicher Nr. 64

Leerstand

Unter dem jüngsten Werbeangebot Ruetz in „amfedersee.de“ vom 11. Januar 2012 ist eine interessante Leserzuschrift: „Dann waren’s nur noch zwei.“ Gemeint sind die noch vorhandenen selbständigen Bäckereien in Bad Buchau. Das hat uns angeregt, einmal ein paar Nachforschungen über den Zerfall der Handwerksbetriebe in Bad Buchau anzustellen.

1831 waren in Buchau und Kappel sage und schreibe 175 Handwerksmeister tätig. Man sprach zu recht von einem besonders regen und lebendigen Zunftwesen. Damals hatten wir eine weit überdurchschnittlich hohe Betriebsdichte beim Handwerk im Vergleich zur Bevölkerung. Das rührt daher, dass Buchau geschichtlich schon immer Versorgungsaufgaben auch für das Federseeumland mit wahrgenommen hat. 1985 wurden noch 52 Handwerksbetriebe gezählt und 1995 noch 48. Wie viele sind es heute? Vielleicht noch 35? Ähnliches Schrumpfen ist auch bei den Geschäften zu beobachten. Nun muss man ehrlicherweise schon konstatieren, dass der moderne Wettbewerb der Märkte die größeren Einheiten begünstigt und dass unter dem Schwund ländliche Bereiche besonders zu leiden haben. Aber Bad Buchau ist damit schon wirklich knallhart konfrontiert.

Was hat die Ladenleerstandsuntersuchung der WGB daran verändert? Gar nichts, oder? Nur bedrucktes Papier. Von der Konsequenz der Untersuchung, nämlich darauf aufbauend ein Ladenleerstandsmanagement (vielleicht zusammen mit der Stadt) zu etablieren, keine Spur. Ob da die allgemein gehaltenen Worthülsen unseres BM Diesch beim jüngsten Interview vom 14.01.12 mit dem Rat an die Geschäfte zur Qualitätsverbesserung und zum offensiven Umgang mit den Problemen wesentlich weiterhelfen? Wird der Rewe-Markt mit seiner Verlagerung wirklich so ein Anziehungsmagnet auch für die bestehenden Betriebe und wird er darüber hinaus gar noch den Leerstand auffüllen? Kaum vorstellbar. Hier könnte wohl der Wunsch, der Vater des Gedankens bleiben. Das heißt aber, dieser wichtige Teil der Infrastruktur in unserer Stadtmitte harrt nach wie vor einer grundlegend angepassten Neuausrichtung. Da reichen Vorschriften über Warensortimente in einem Bebauungsplan so wenig, wie die mehr als bescheidenen Hinweise auf den Wirtschaftsstandort unter „BadBuchau.de“. Wenn wir bloß auf das „Wunder“ Rewe-Markt starren, verlieren wir nur weitere kostbare Reaktionszeit. Zeit, die nicht mehr zurückgeholt werden kann. Dabei wäre es höchste Zeit und eine intensive Anstrengung.

Transparenz

In demselben Interview wird auch die Transparenz der Stadtverwaltung angesprochen. Ein überaus interessanter Abschnitt. Bis vor zwei Jahren war mangelnde Transparenz kein Thema, aber der BM denkt, dass sich einiges verbessert hat. Also liegt hier doch ein Mangel vor? Er vergisst total, dass die Schwäbische Zeitung früher wesentlich mehr und vor allem gründlichere, bis ins Detail gehende, Zeitungsartikel verfasst hat. Früher gab es den Veranstaltungskalender und später „Kur aktuell“. Das heutige Mitteilungsblatt ist so viel mehr auch nicht. Dafür unübersichtlicher aber eben 14-tägig. Heute hätte man mit der EDV noch ganz andere und günstigere Informationsmöglichkeiten, wie andere Gemeinden das vielfältig unter Beweis stellen. Also ein Vergleich der Medienlandschaft mit der Vergangenheit scheitert schon allein aus diesem Grund total. Aber der BM hat recht, wenn er sagt, es hätte sich einiges verbessert. Gerade die offene Diskussion in den letzten Jahren über das Internet mit „amfedersee.de“ hat da „zwangsweise“ Reaktionen hervorgebracht. Ferner wurde das Interesse an öffentlichen Gemeinderatssitzungen durch bekannte Aktionen von Stadtrat Weiss und Fehler der Verwaltung gesteigert. Wenn der BM dieses gewachsene Informationsbedürfnis der Bürger jetzt sehr lobend begrüßt und dem mit weiterer Offenheit/Aufgeschlossenheit entgegenkommen will, freuen wir uns aufrichtig. Wer hätte jemals gedacht, dass der BM dem Stadtstreicher bei der Öffentlichkeitsarbeit Konkurrenz machen will. Seine positiven Erfahrungen mit der jüngsten Bürgerversammlung haben ihn gar so beeindruckt, dass er sich diesem Glücksgefühl öfters aussetzen will. Löblich, löblich. Wie oft haben wir in der Vergangenheit auf die Einhaltung dieser gesetzlich verankerten Vorschrift hingewiesen. Wie viel Freude und erfüllende Resonanz hat da der BM schon verschenkt. Mehr als bedauerlich. Manchmal muss man Menschen eben zum Glück „hinführen“! Nach diesem Interview glaubt selbst der Stadtstreicher schon ganz vorsichtig, „dass wir da auf einen guten Weg sind“, Herr Bürgermeister. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, vielleicht aber Hoffnung darauf?