Renaturierung am Federsee EU-weit unter den 13 besten LIFE+-Projekten Projekt hat europaweit Modellcharakter

 

 Lebensraum Naturreservat Federsee

Das Renaturierungsprojekt am Federsee ist eines der 13 besten aus insgesamt 46 LIFE+-Projekten, die 2014 abgeschlossenen wurden. Das hat die EU-Kommission mitgeteilt. Im Juni wird die Projektleitung den Preis in Brüssel entgegennehmen. Im LIFE+-Projekt Federsee waren von Januar 2009 bis März 2014 an fünf Standorten im Federseeried umfangreiche Maßnahmen zur Erhaltung und Renaturierung dieses größten Moores in Südwestdeutschland durchgeführt worden.

„Dieser Preis der EU-Kommission zeigt die Wertschätzung für das Federseemoor als einzigartigem Reservat, dessen unvergleichliche Natur- und Kulturschätze ohne eine Renaturierung für die Nachwelt verloren gegangen wären. Die Auszeichnung ist gleichzeitig auch eine Anerkennung für das intensive und kooperative Engagement aller Projektbeteiligten“, erklärte Regierungsvizepräsidentin Grit Puchan. Die Hälfte des Projektvolumens von mehr als 1,3 Millionen Euro hatte die EU finanziert, die andere Hälfte örtliche Träger. Das Projektmanagement teilten sich Stefan Schwab vom Regierungspräsidium Tübingen und Jost Einstein vom NABU-Naturschutzzentrum Federsee. Die Zusammenarbeit verschiedener Partner hat am Federsee eine lange Tradition. Bereits von 1997 bis 2002 waren in einem ersten Vorläufer-Projekt 250 Hektar Flächen im Südlichen Federseeried renaturiert worden.

Renaturierung mit Modellcharakter
Ziel des Projektes war es, wichtige, in ihrem Wasserhaushalt gestörte Teile des Federseemoores wieder als intakte Lebensräume für die moortypische Tier- und Pflanzenwelt zu restaurieren. Insbesondere die Lebensbedingungen für wiesenbrütende Vogelarten standen im Fokus. Große Teile des Federseemoores waren durch die seit über 200 Jahre andauernde Entwässerung und Torfgewinnung bereits stark geschädigt worden.

Die Maßnahmen der vergangenen Jahre konzentrierten sich auf das Südliche und das Nördliche Federseeried. Im Süden machten die Neuorganisation eines Grabensystems und der Rückbau eines Segelflugplatzes den Weg frei für eine umfangreiche Wiedervernässung durch Grabenverschlüsse. Im Nördlichen Ried konnte in landeseigenen Flächen der Moorwasserstand wieder auf ein oberflächennahes Niveau angehoben werden. 24 km des bestehenden Grabennetzes wurden verfüllt und die kanalartig eingetiefte Seekircher Aach höher gelegt sowie naturnah umgestaltet. Die Verfüllung der Gräben, die für die flächige Vernässung des Gebiets notwendig war, erforderte Torfbewegungen von etwa 15.000 m³. „Noch nie sind in Deutschland derart umfangreiche Maßnahmen zur Renaturierung eines ehemaligen Durchströmungsmoores umgesetzt worden“, sagt Schwab. „Dieses Projekt hat europaweit Modellcharakter, das zeigen die Besuche internationaler Wissenschaftler“, ist sich Regierungsvizepräsidentin Puchan sicher.

 

Rettung für künftige Generationen
Nicht nur für Bekassine, Goldenen Scheckenfalter und Orchideen sind feuchte Lebensräume unerlässlich. Die über Jahrtausende im feuchten Moor des Federsees konservierten Reste aus der Stein-, Bronze- und Keltenzeit – darunter vier UNESCO-Welterbestätten – litten ebenfalls unter der Entwässerung. Pro Jahr verringerte sich die schützende Torfschicht um ein bis zwei Zentimeter. Bei Absenkung des Wasserspiegels löste sich der Torf buchstäblich in Luft auf. Dabei entwichen große Mengen klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid. „Moorschutz ist also dreifach wichtig: Für den Naturschutz, den Denkmalschutz und den Klimaschutz!“, unterstreicht Puchan.

Erste Erfolge bereits sichtbar
Während bei vielen Naturschutzprojekten Erfolge erst nach Jahren sichtbar werden, reagierte die Tierwelt am Federsee prompt. Jost Einstein vom NABU-Naturschutzzentrum Federsee beobachtete: „Bereits kurz nach Abzug der Baumaschinen im November 2013 rasteten Dutzende Bekassinen an den verschlossenen, wassergefüllten Gräben im Nördlichen Ried. Im Frühjahr 2014 brüteten erstmals seit Jahrzehnten in diesem Bereich wieder Kiebitze.“ Die Kartierungen des Naturschutzzentrums belegen, dass viele durchziehende Vogelarten erstmals im Nördlichen Ried wieder rasten. Im Frühjahr waren 25 Kampfläufer zu beobachten.
Die wöchentliche Ablesung von weit über 100 im Ried verteilten Wasserpegeln zeigt, dass 2014 trotz des trockenen ersten Halbjahrs alle archäologischen Zeugnisse vollständig unter Wasser lagen und damit konserviert werden können. Auf den benachbarten Privatflächen veränderten sich die Wasserstände nicht. Die weitere Zersetzung der Holzwehrmauern, der Palisaden und der Hausplätze einer frühbronzezeitlichen Siedlung im Bereich des ehemaligen Segelflugplatzes konnte so gestoppt werden. Im nördlichen Federseeried wurden zwei jungsteinzeitliche prähistorische Siedlungen gerettet. „Das LIFE+-Projekt Federsee beweist, dass durch die gemeinsame Anstrengung verschiedenster Partner Großes erreicht werden kann. Es wurde daher von der EU-Kommission zu Recht ausgezeichnet“, ist Puchan überzeugt.
Hintergrundinformation:
Das Förderprogramm ,,LIFE+ Natur” fördert EU-weit Projekte zum Erhalt gefährdeter Arten und natürlicher Lebensräume. Voraussetzung für die Förderfähigkeit ist, dass das Gebiet Bestandteil von „Natura 2000” ist, einem Netz aus europaweit bedeutsamen Schutzgebieten („FFH-Gebiet“ oder „Vogelschutzgebiet“). Das Federseemoor ist als Natura 2000-Gebiet gemeldet. Auf fast 3000 Hektar beherbergt es EU-weit schutzwürdige Lebensräume wie kalkreiche Sümpfe, Übergangsmoore und Moorwälder. Daneben ist es Heimat bedeutsamer Populationen europaweit besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten (FFH-Arten). Vom Aussterben bedrohte Fischarten wie Schlammpeitzger und Steinbeißer gehören dazu, daneben der Goldene Scheckenfalter, die Gelbbauchunke oder das Torlglanzkraut, eine Orchidee.
Die Projektleitung teilten sich Stefan Schwab vom Regierungspräsidium Tübingen und Jost Einstein vom NABU-Naturschutzzentrum Federsee.
Projektträger waren der NABU-Landesverband Baden-Württemberg, der Landkreis Biberach, die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg sowie Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Ulm.

One thought on “Renaturierung am Federsee EU-weit unter den 13 besten LIFE+-Projekten Projekt hat europaweit Modellcharakter

  1. Der eingeschlagene Weg vor etwa 35 Jahren und die konsequente Fortführung sind damit wohl gegen alle Skeptiker erfolgreich verlaufen, berechtigte Ängste weitgehend verflogen.
    Angefangen hat es mit dem Bau der Ringleitung um den Federsee und der Inbetriebnahme der Verbandskläranlage. Wer damalige Bilder vom sterbenden See betrachtet und mit heute vergleicht kann sich ob aller Schwierigkeiten und Kompromisse nur erfreuen. Das ist auch ohne wissenschaftliche Begleitung so mehr als deutlich erkennbar. Dieses Jahrhundert-Abwasserwerk in unserem Naturschutzgebiet hat all das Weitere erst ermöglicht. Auch die Dünge- und Wirtschaftsbeschränkungen sowie die Erweiterungen des Naturschutzgebietes einschließlich Flurbereinigungen konnten erst danach ökologisch sinnvoll eingeleitet werden. Ohne gesunden See keine gesunde Umgebung und umgekehrt. Natürlich hat das Einsicht, ja Opfer von allen Betroffenen verlangt, aber die hohen Zuschüsse von Land, Bund und EU haben die Anstrengungen erträglich gestaltet. So haben wir im Federseegebiet beispielsweise keine höheren Verbrauchsgebühren oder Schuldenlasten zu tragen, als andere Gemeinden auch (im Gegenteil!) und die Landwirtschaft hat wegen der Umwandlung der Riedwiesen die Existenzgrundlage nicht eingebüßt.
    Dafür gibt es Bad Buchau am Federsee noch. Natur, Kur und Kultur(Archäologie) haben stabile Zukunftsgrundlagen. Was wir daraus machen, liegt nicht nur an mehrfach vergebenen internationalen Auszeichnungen, sondern ist in erster Linie unseren eigenen tatkräftigen Visionen und Handeln vorbehalten.

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