Der Stadtstreicher – Kolumne 24

Es ist nicht zu glauben, aber der Fall sexueller Missbrauch durch Manfred Diesch und sein Protektor Bürgermeister Peter Diesch machen im Blätterwald der Zeitungen im Bundesgebiet weiter Furore. Ungeachtet dieses herbstlichen Rauschens haben die Wähler von Bad Buchau einen Schlussstrich gezogen. Sie haben Peter Diesch in seinem Amt bestätigt und damit auch die Angelegenheit, mit den besonderen Umständen um diesen Fall, abgesegnet. Die Führungsmannschaft der SZ hat ihren Regionalchef Ulrich Mäule, nachdem durch die Wahl in Bad Buchau feststand, dass er mit seinem Artikel keinen größeren Schaden innerhalb der CDU ausgelöst hat, wieder in sein Amt eingesetzt. Also alles bestens. Bürgermeister Peter Diesch sonnt sich in seinem Wahlerfolg, den die vernetzte, kleinbürgerliche Wählerschaft ihn bereitet hat und Ulrich Mäule erfreut sich mit vollem Recht an seinem zurückgewonnen Posten. Die Mehrheit des Gemeinderats, die durch fehlende Kontrolle des Bürgermeisters den Rummel mit zu verantworten hat, fühlt sich schlussendlich in ihrer nachlässigen Amtsführung moralisch bestärkt, was in der letzten Gemeinderatssitzung ja schon zum Ausdruck kommt. So löst man heutzutage eine Provinzposse mit zweifelhaftem Hintergrund. Man muss das alles so richtig im Munde zergehen lassen und viel Zuckerwasser trinken, um keinen bitteren Nachgeschmack zu behalten. Kenner haben immer schon behauptet, dass Bad Buchau im Oberschwäbischen etwas ganz besonderes ist. Bloß wusste ich nicht, dass dies auch politisch gemeint sein könnte. Da können viele andere wirklich noch etwas lernen. Als Stadtstreicher frage ich mich aber, ist es schauriger über das Moor zu gehen oder durch die Stadt zu wandeln? Ich erinnere mich an einen Witz. Kennst Du den schwärzesten Erdteil? Es ist Oberschwaben; das Gebiet, wo jeder mit jedem parteilich oder verwandtschaftlich über mehrere Ecken irgendwie verbunden (verwurstelt) ist. Das erklärt so manche Eskapade. Der ehemalige Biberacher Landrat Dr. Wilfried Steuer sagte: „bei uns sind nur die Dächer der Häuser rot, die Gesinnung ist schwarz.“ Das kann man deuten wie man will.

Interessant war der Tagesordnungspunkt Städt. Alten- und Pflegeheim „Marienheim“: neue Vertragsgestaltung für den Betrieb ab 1. Januar 2011 für die Seniorengeneration. Wer würde hinter solch harmlosen Worten vermuten, dass die Stadt sich der Altenpflege entledigt und den Heimbetrieb abschieben will. Mit der angedachten Verpachtung an die ZfP werden Leitung, Führung und Verantwortung für das Heim weggegeben. Wenn behauptet wird, das Marienheim bleibe trotzdem das Städt. Alten- und Pflegeheim, so betrifft das nur noch das leere Gebäude als solches. Was Einrichtung und den Betrieb angeht, wäre es eine bewusste Verschleierung der neuen Gegebenheiten. Anträge und Beschwerden wären zukünftig nicht mehr bei der Stadt oder einem Gemeinderat sondern beim Pächter vorzubringen, ebenso würden die Pflegekosten und die Zusatzleistungen vom Pächter eigenverantwortlich festgelegt und erhoben. Die Hausordnung, die Pflegeleistungen, der Speiseplan wären Angelegenheiten des Pächters, um nur ein paar wenige Bespiele zu benennen. Längerfristig wird sich noch wesentlich mehr ändern, als bleiben wird. Alles andere ist Augenwischerei oder Schönfärberei. Die Vorteile für die Stadt wären offensichtlich: weniger Pflichten, Arbeit, Ärger und Sorge um die alten Mitmenschen für Bürgermeister und Gemeinderat, dafür eine garantierte Pachteinnahme für die Stadtkasse. Dass die Pacht mit 120.000 Euro jährlich natürlich von den Heimbewohnern aufzubringen wäre, sei nur am Rande vermerkt. Risikoverschiebung werden solche Transaktionen im Zeitgeist genannt und mit Qualitätsverbesserung begründet. Damit lässt sich heute fast alles verkaufen. Dass aber gerade die Alten und Pflegebedürftigen dafür herhalten sollten, finde ich makaber genug. Ich vermute, die Buchauer werden das wohl schlucken, wie manch andere Ungereimtheiten auch. Zum Schluss frage ich mich noch: Ist das bisherige Personal im Pflegeheim nicht der Garant für gute Qualität, sonst dürfte es vom Pächter wohl nicht übernommen werden? Aber warum dann diese Veränderung? Das war halt noch die gute alte Zeit als der Gemeinderat, die Vereine und Einwohner anfangs der 80 iger Jahre im Rahmen der gegründeten Bürgerinitiative das Altenheim im Schweiße ihres Angesichts umbauen halfen und zahlreiche Unterstützungsaktionen veranstaltetet wurden, um die Bau- und Betriebskosten und damit die Pflegekosten des Heims möglichst niedrig zu halten. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Stiftung. Ja, die Verantwortlichen und ihre Auffassungen verändern sich eben. Ein Schelm, der schlechtes denkt.

Jetzt bin ich schon wiederholt aufmerksam gemacht worden, dass Gemeinderäte ihre Sitzungsunterlagen, die sie zur Vorbereitung auf die Sachthemen von der Stadtverwaltung erhalten, erst in der Sitzung aufmachen. Also mit anderen Worten völlig unvorbereitet auf die Tagesordnung in die Sitzung kommen. Nun über die Ernsthaftigkeit, die ein Gemeinderat in die Beratung einbringt, kann jeder Bürger sich ein eigenes Bild machen. Aber glauben sie bloß nicht, dass die Zuhörer dies nicht merken und aufmerksam verfolgen. Insofern fehlen eben auch die jüngst aufgelösten Ausschüsse, in denen wichtige Punkte vorberaten werden konnten. Zwischen Ausschuss- und Gemeinderatssitzung besteht immer noch eine ausreichende Zeitspanne, um sich in Problemfelder persönlich tiefer einzuarbeiten oder weitere Informationen und Hilfen abzurufen. Mit einem so abgesicherten persönlichen Urteil, lässt es sich eben verantwortungsbewusster abstimmen. Aber diese Überzeugung und Festigkeit in der Sache brauchen unsere gewählten Volksvertreter heutzutage scheinbar eben immer weniger.

Manchmal frage ich mich natürlich schon, ob sie das alles wissen wollen, was ich in den Kolumnen so von mir gebe. Ich hoffe, den einen oder den anderen bringt es zum Nachdenken oder die Abhandlungen dienen dazu, auf Zusammenhänge und Änderungen hin zu weisen oder diese besser zu verstehen. Wenn sie trotz des meist ernsten Inhalts sogar ein wenig Lächeln können, freue ich mich. Nur diejenigen, denen ich auf den Schlips trete, dürfen laut aufheulen. Zum Sand in die Augen streuen ist ist sie nicht gedacht.