Den Buchauer Juden ein Gesicht geben

Kleines Museum ist ab Sonntag wieder geöffnet – mit einigen neuen Ausstellungsstücken

Auf nur wenigen Quadratmetern entfaltet sich im Gedenkraum Kultur und Geschichte der Buchauer Juden. Für ihren neuesten Fund, ein Akrostichon, hat Charlotte Mayenberger aber doch noch ein Plätzchen an der Wand gefunden.

 

Auf nur wenigen Quadratmetern entfaltet sich im Gedenkraum Kultur und Geschichte der Buchauer Juden. Für ihren neuesten Fund, ein Akrostichon, hat Charlotte Mayenberger aber doch noch ein Plätzchen an der Wand gefunden. (Foto: Annette Grüninger)

 

Von Annette Grüninger Schwäbische Zeitung

Der Gedenkraum „Juden in Buchau“ neben der Bad Buchauer Tourist-Information ist ein Fenster in eine verlorene Welt: Auf wenigen Quadratmetern, in einem Ausstellungsraum und auf dem Flur, entfaltet sich für die Besucher Kultur, Religion und vor allem der Alltag der Buchauer Juden. Zum verkaufsoffenen Sonntag, 6. April, öffnet das kleine, aber feine Museum im Herzen der Kurstadt wieder seine Türen.

Charlotte Mayenbergers Augen leuchten, als sie einen ihrer neuen Schätze präsentiert: eine historische, reich verzierte Urkunde mit hebräischer Schrift. „Die stammt bestimmt noch vom früheren Synagogenmuseum“, vermutet die Begründerin der Initiative „Juden in Buchau“. In ihrem Gotteshaus, das vor 175 Jahren erbaut und von den Nationalsozialisten zerstört wurde, bewahrte die jüdische Gemeinde Zeugnisse ihrer Geschichte auf. So wie das prächtige Akrostichon Josef Meiers, ein Sinnspruch, bei dem die Anfangsbuchstaben der Verse von oben nach unten gelesen den Namen des Besitzers ergeben. Josef Meier erhielt die kleine Moralpredigt, deren Übersetzung Mayenberger durch Zufall entdeckt hat, als Hochzeitsgabe von seinem Schwiegervater – am 29. Dezember 1789.

Nicht viele Zeugnisse sind von der einst blühenden jüdischen Gemeinde übrig geblieben. Als die Synagoge 1938 niederbrannte, ging auch ein Teil der Geschichte Buchaus in Flammen auf. Zwar hatte die Buchauer Feuerwehr in der Pogromnacht den Brand am Gotteshaus zunächst löschen können. Doch schon in der darauffolgenden Nacht vollendeten die NS-Schergen ihre Freveltat. Bis dahin war es jedoch gelungen, einen Teil des Inventars zu retten. Wahrscheinlich seien die Schätze ins damalige Federseemuseum gebracht worden, so Mayenberger, schließlich gehörten auch zahlreiche jüdische Bürger dem Altertumsverein an. Nachdem das Akrostichon jahrzehntelang verschollen war, haben es Mayenberger und die anderen Helfer des Altertumsvereins nun beim Ausräumen des Archivs wiederentdeckt.

Die Exponate finden auf den verschiedensten Wegen in den Gedenkraum. Aus dem Schmuck-Gebäude, das dem geplanten Kreisel am ehemaligen Götzburg-Areal weichen musste und einst ein jüdisches Textilgeschäft beherbergte, konnte Mayenberger vor dem Abbruch etwa ein besticktes Handtuch des früheren Inhabers Hirsch Weil bergen. Andere Ausstellungsstücke sind Zufallsfunde, glückliche Entdeckungen, Treibgut der Geschichte – oder auch Dauerleihgaben aus Privatbesitz, die Buchauer Familien nach jahrelanger Vertrauensarbeit in Mayenbergers Hände legen.

 

Jedes Stück hat eine Geschichte

Darunter etwa eine originale Mesusa, ein verziertes Metallkästchen, das hinter Glas verwahrt wird: Derartige Schriftkapseln befinden sich an den Türpfosten jüdischer Häuser. Das darin verschlossene Pergament, das nicht entfernt werden darf, müsse mit der Feder einer koscher geschlachteten Gans beschrieben werden, erklärt Mayenberger.

Selten finden sich jedoch Raritäten und große Kostbarkeiten in den Vitrinen und Schubladen des Museums. Und darauf komme es auch gar nicht an, findet die Heimathistorikerin: „Das, was wir hier haben, ist alles Buchau. Jedes Stück hat seine Geschichte. Und es sind die kleinen Sachen, die Geschichten erzählen.“ Neben Objekten aus dem religiösen Leben oder jüdischem Brauchtum steht ganz Weltliches und Alltägliches. So mag eine alte, von Hand geschriebene Rechnung des Geschäftsmanns Hirsch Weil auf den ersten Blick nichts Besonderes sein. Doch wenn etwa die Nachfahren zum ersten Mal die Schrift ihres Großvaters entdecken, dann sei das immer ein besonderer, kostbarer Moment, hat Mayenberger beobachtet. „Die Handschrift ist doch etwas Persönliches von diesem Menschen.“ Und darin zeigt sich wohl auch das Ziel des kleinen Gedenkraums: den Buchauer Juden wieder ein Gesicht zu geben, nachdem sie von den Nazis zu bloßen Nummern gemacht wurden.

Der Gedenkraum „Juden in Buchau“ ist am Tag der offenen Tür am Sonntag, 6. April, von 13 bis 17 Uhr geöffnet und dann wieder bis Ende Oktober an allen Sonn- und Feiertagen von 14 bis 16 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.