Allerheiligen, ein christliches Fest

Wer in einem überwiegend katholisch geprägten Bundesland lebt, verbindet mit dem ersten November zuallermindest eines: Freizeit – weil es sich um einen gesetzlichen Feiertag handelt. Im Westfälischen mögen viele außerdem an Europas größte Altstadtkirmes, die Soester Allerheiligenkirmes, denken. An den Sinn dieses Festes wird daher jährlich aufs Neue in Predigten erinnert, damit er nicht vollends in Vergessenheit gerät.

Der verherrlichte Christus inmitten seiner Heiligen (Ausschnitt),

Sicherlich verrät einem schon der Name, dass an diesem Tage aller Heiligen gedacht wird. Manchen mag das zu dem Trugschluss führen, es gehe hier lediglich um alle, die im Laufe der Zeit von kirchlichen Autoritäten heilig gesprochen wurden – doch diesen sind zumeist schon feststehende Gedenktage gewidmet.

Zunächst ist zu klären, was das Wort „Heilig“ eigentlich bedeutet. Da es in unserem Kulturkreis mit den Lehren des Judentums und des Christentums verbunden ist, lässt es sich nur anhand der Bibel definieren. Nach dieser ist das Heil jede bereits erfolgte oder noch zu erwartende Hilfe Gottes, die sich (im alttestamentlichen Sinne) nicht allein auf das Volk Israel beschränkt, sondern allen zuteil werden kann. Dabei wird das Heil auch immer wieder an das Befolgen der religiösen Gebote geknüpft. Das Neue Testament bezieht den Begriff auf das Wirken Jesu Christi, den Johannes so zitierte: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Aus dieser Sichtweise lässt sich folgern, dass die Nähe zu Gott der zentrale Bestandteil des Heils ist. Heilige sind somit alle, die durch ihre Religiosität und ihre ethische Reinheit in besonderer Nähe zu Gott stehen beziehungsweise (zu Lebzeiten) standen. Da es keiner irdischen Instanz möglich ist, für jeden einzelnen Menschen festzulegen, ob er diesen Kriterien wirklich entsprochen hat, „unterstellt“ die christliche Kirche jedem ihr angehörenden, heilig zu sein (wobei die letztgültige Entscheidung in dieser Frage natürlich bei Gott liegt). Das im dritten oder vierten Jahrhundert formulierte Apostolische Glaubensbekenntnis nennt die Kirche die „Gemeinschaft der Heiligen“.

Zu jener Zeit schickte das Christentum sich an, die antiken Religionen des Römischen Reiches zu ersetzen. Nachdem Kaiser Konstantin 313 sein Toleranzedikt erlassen hatte, konnte die trotz früherer Verfolgung bereits gut organisierte christliche Kirche schrittweise ihre Macht ausbauen. Und welche irdische Macht wäre größer als die Macht der Symbole? Ein Symbol der Größe Roms war das Pantheon. Es war, wie sein Name schon sagt, allen Göttern gewidmet. Diese garantierten schließlich nach altrömischem Glauben durch ihren Schutz den Bestand des Imperiums. Und so war es keine geringe Geste, als der oströmische Kaiser Phokas im Jahre 608 den Prachtbau dem Papst Bonifatius IV. und somit der Kirche schenkte. Im Jahr darauf weihte dieser das früher heidnische Heiligtum der Jungfrau Maria und allen Heiligen. Zudem ordnete er eine jährliche Gedenkfeier an, die zunächst am Freitag nach Ostern stattfinden sollte.

Bereits zuvor wurde in den östlichen (großenteils den heutigen Orthodoxen Kirchen entsprechenden) Kirchen das Allerheiligenfest am Sonntag nach Pfingsten begangen, woran sich bis heute nichts geändert hat, da diese schon seit dem frühen Mittelalter organisatorisch weitgehend eigene Wege gingen. Als Papst Gregor III. in den Dreißiger Jahren des achten Jahrhunderts eine Kapelle in der Basilika St. Peter, also in einem originär christlichen Sakralbau, allen Heiligen widmete, legte er den Gedenktag auf den ersten November. Ausgehend vom westlichen Frankenreich breitete sich der neue Brauch über die gesamte Westkirche aus, und etwa hundert Jahre nach Gregor III. wurde das von jenem festgelegte Datum durch Papst Gregor IV. für verbindlich erklärt. Inzwischen ist Allerheiligen ein Hochfest der Römisch-Katholischen Kirche. Die protestantischen Kirchen begehen das Fest eher inoffiziell als einen Gedenktag, da sie keine Heiligenverehrung praktizieren. Allerheiligen (lat. Festum Omnium Sanctorum) ist ein christliches Fest, zu dem aller Heiligen gedacht wird – auch solcher, die nicht heiliggesprochen wurden – sowie der vielen Heiligen, um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott.

Es wird in der katholischen Kirche am 1. November begangen, in den orthodoxen Kirchen jedoch am ersten Sonntag nach Pfingsten. Allerheiligen ist ein Hochfest der römisch-katholischen Kirche bzw. Principal Feast der anglikanischen Kirche. Die lutherischen Kirchen feiern es als Gedenktag der Heiligen, ähnlich auch weitere protestantische Kirchen. Am Tag nach Allerheiligen begeht die römisch-katholische Kirche den Allerseelentag, an dem der Armen Seelen im Fegefeuer gedacht wird. Vielerorts wird die damit verbundene Gräbersegnung bereits am Nachmittag von Allerheiligen vorgenommen. Damit verbunden ist der Brauch, die Gräber vor allem mit Lichtern besonders zu schmücken. Auf den Mainzer Friedhöfen wird die traditionelle Mainzer Kerze, der Newweling, entzündet.

Am Vorabend, dem 31. Oktober, wird in den Vereinigten Staaten und vielen Ländern Europas Halloween gefeiert. Das Wort Halloween leitet sich aus der amerikanisch-englischen Bezeichnung All Hallows Eve (‚Vorabend von Allerheiligen‘) ab. Neben den Wurzeln des Fests als Vorabend eines Hochfestes, an dem es üblich ist, Vigilien abzuhalten, könnte das Fest möglicherweise auch auf ältere heidnische Bräuche in Irland zurückgehen (vgl. das neuheidnische Samhain). In der heutigen, aus Nordamerika zurückgekommenen Form hat es eine stark kommerzialisierte und säkularisierte Form angenommen.

One thought on “Allerheiligen, ein christliches Fest

Comments are closed.