Top-Verdiener im Bundestag

Schwarz-Gelb attackiert den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück – doch auch Abgeordnete von Union und FDP liegen bei Nebeneinkünften auf Spitzenplätzen, wie eine Tabelle der zehn Top-Verdiener im Bundestag zeigt. Abzocker sind sie deshalb aber nach Ansicht von Experten noch lange nicht.

Von Veit Medick

Die Topverdiener im Bundestag: Peer Steinbrück, Michael Glos, Heinz Riesenhuber (v.l.)

Die Topverdiener im Bundestag: Peer Steinbrück, Michael Glos, Heinz Riesenhuber

Berlin – Es könnte jetzt alles ganz schnell gehen. Schon am 18. Oktober wollen sich die Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen zusammensetzen, um darüber zu beraten, wie die Veröffentlichungspflichten von Nebeneinkünften neu geregelt werden können. Wer wann wofür wie viel verdient hat, soll für die Öffentlichkeit künftig leichter rekonstruierbar sein. Zumindest ein wenig.

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Grundsätzlich, das ist durch die Debatte um die Honorare von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück allen Parteien klar, sind die geltenden Regeln nicht mehr haltbar. Das Problem: Was die Abgeordneten neben ihrem Mandat genau verdienen, müssen sie derzeit nicht veröffentlichen. Für ihre Zusatzeinkünfte besteht lediglich ein sehr grobes Drei-Stufen-Raster: Bis 3.500 Euro, bis 7.000 Euro und mehr als 7.000 Euro.

Gerade höhere Einkünfte lassen sich in diesem Modell einfach verschleiern. Ob der Buchvertrag über 150.000 Euro oder der mit 7.001 Euro honorierte Vortrag – beides fällt unter die gleiche Stufe. Transparenz sieht anders aus.

Die Abgeordneten ahnen: Wenn sie nicht unter den (unberechtigten) Generalverdacht geraten wollen, auf Kosten der Parlamentsarbeit heimlich abzukassieren, muss schleunigst mehr Genauigkeit her. Im Gespräch ist, das geltende Modell mit weiteren Stufen zu ergänzen. Auch Steinbrück selbst macht Druck. Sein Kalkül: Auch jene politischen Gegner, die ihn seit Tagen attackieren, wären dann gezwungen, ihre Karten auf den Tisch zu legen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles formuliert es so: „Wir wollen natürlich wissen, ob jetzt alle, die den Mund gespitzt haben, am Ende dann auch pfeifen.“

Bevor es so weit ist, hat das Portal „Abgeordnetenwatch.de“ die Spitzenverdiener unter den Bundestagsabgeordneten einmal etwas genauer unter die Lupe genommen. So weit das möglich ist. Unter den geltenden Regeln lässt sich eben allenfalls errechnen, was die Abgeordneten mindestens verdient haben müssen, nicht aber, was sie tatsächlich verdient haben. Das heißt: Wenn ein Abgeordneter für einen Vortag 20.000 Euro verdient hat, muss er trotzdem nur 7.001 Euro angeben. Deshalb lässt sich der wirkliche Wert nicht genau berechnen – in vielen Fällen dürfte er aber deutlich höher liegen als der veröffentlichte Wert.

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Der designierte SPD-Kanzlerkandidat geht in die Offensive. >

Um eine Vergleichbarkeit herzustellen, haben die Fachleute von „Abgeordnetenwatch.de“ lediglich die Honorare für Reden, Veröffentlichungen und Tätigkeiten in Spitzengremien von Wirtschaftsunternehmen erfasst. Anwaltstätigkeiten ließen sie außen vor, weshalb zum Beispiel CSU-Mann Peter Gauweiler trotz seiner langen Liste an Nebentätigkeiten nicht auftaucht. Grundlage der Berechnungen sind die Stufen-Einträge der Abgeordneten auf der Bundestags-Homepage sowie öffentlich einsehbare Geschäftsberichte, in denen etwa die Vergütung von Aufsichtsratsmandaten festgehalten ist.

Und siehe da: Peer Steinbrück ist zwar – aller Wahrscheinlichkeit nach – Spitzenreiter. Ansonsten wird die Tabelle, die die Nebeneinkünfte in der laufenden Legislaturperiode umfasst, aber von seinen politischen Gegnern dominiert:

1. Peer Steinbrück (SPD) – mindestens 698.945 Euro. Das meiste Geld verdiente Steinbrück mit Vorträgen. Gut dotiert war aber auch sein Aufsichtsratsmandat bei ThyssenKrupp. Im Jahr 2010 erhielt er dafür 47.907 Euro, 2011 waren es 67.038 Euro.

2. Michael Glos (CSU) – mindestens 546.000 Euro. Der Ex-Wirtschaftsminister ist Steinbrück dicht auf den Fersen. Den Großteil seiner Nebeneinkünfte erzielte Glos mit zwei Beratertätigkeiten, die monatlich jeweils mindestens 7.000 Euro einbrachten.

3. Heinz Riesenhuber (CDU) – mindestens 380.000 Euro. Der 76-Jährige sitzt in einer Reihe von Aufsichtsräten. Besonders lukrativ ist sein Posten bei der Schweizer HBM Healthcare Investments AG. Von 2009 an verdiente er dort rund 201.000 Euro.

4. Rudolf Henke (CDU) – mindestens 315.000 Euro. Der Gesundheitspolitiker gehört nicht zu den prominentesten Figuren auf dem Berliner Parkett. In der Branche ist er aber gut verankert. Er sitzt in mehreren Versicherungsbeiräten, ist zudem Vorsitzender des Ärzteverbands Marburger Bund.

5. Frank Steffel (CDU) – mindestens 288.000 Euro. Den Großteil seiner Nebeneinkünfte erzielt er als Chef seiner eigenen Unternehmensgruppe.

6. Peter Wichtel (CDU) – mindestens 218.750 Euro. Der Verkehrspolitiker ist neben seinem Bundestagsmandat unter anderem als Kaufmännischer Angestellter bei der Fraport AG tätig.

7. Franz-Josef Holzenkamp (CDU) – mindestens 213.000 Euro. Der 52-Jährige ist seit 1990 unter anderem als selbständiger Landwirt tätig.

8. Norbert Schindler (CDU) – mindestens 211.000 Euro. Der Finanzpolitiker ist unter anderem als Aufsichtsrat für das Bioethanol-Unternehmen CropEnergies tätig. Dafür erhält er 20.000 Euro jährlich.

9. Patrick Döring (FDP) – mindestens 185.400 Euro. Der Generalsekretär der Liberalen ist einer der schärfsten Steinbrück-Kritiker. Er selbst musste sich jüngst Fragen zu seinem Aufsichtsratsmandat bei der Deutschen Bahn gefallen lassen, für das er 2010 20.000 Euro und 2011 32.400 Euro bekam. Ein hübscher Nebenverdienst (monatlich mindestens 3.500 Euro) resultiert auch aus seinem Vorstandsposten bei der Agila Haustierkrankenversicherung.

10. Michael Fuchs (CDU) – mindestens 155.500 Euro. Der Wirtschaftspolitiker ist außerhalb des Bundestags einer der fleißigsten Redner und Berater. Für seine Vorträge Ratschläge erhielt er seit 2009 mindestens 78.500 Euro.

Verglichen mit Gehältern in der freien Wirtschaft handelt es sich bei manchen dieser Nebeneinkünfte um eher bescheidene Beträge. Die Experten von „Abgeordnetenwatch.de“ halten es dennoch für geboten, die Zusatzverdienste zu problematisieren. „Wenn ein Abgeordneter sein Mandat ernst nimmt, muss er zwischen 60 bis 80 Stunden investieren. Da bleibt nicht viel Zeit für Nebentätigkeiten“, sagt Mitbegründer Gregor Hackmack. „Man muss deshalb schon genau hinschauen, ob ein Abgeordneter auch wirklich eine Leistung erbracht hat.“

Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim nimmt die Politik hingegen in Schutz. Er fordert die Abgeordneten zwar dazu auf, ihre Nebeneinkünfte „auf Heller und Pfennig“ zu veröffentlichen. Im Grundsatz hält er aber die Möglichkeit, Nebentätigkeiten nachzugehen, für gerechtfertigt, schließlich hätten sie auch Vorteile. „Sie stellen sicher, dass Politiker auch ein Standbein im Beruf behalten und nicht völlig von ihren Parteien abhängig sind“, sagt von Arnim. „Zudem erleichtert die Möglichkeit, etwas nebenher zu verdienen, auch großen Einkommensbeziehern, ein Mandat aufzunehmen.“

Was in der hitzigen Debatte etwas untergeht: Bei weitem nicht alle Abgeordneten versuchen, ihre Kasse außerhalb des Bundestags aufzubessern. 427 von 620 Parlamentariern geben sich mit ihren Diäten zufrieden.

© SPIEGEL ONLINE  Top-Verdiener im Bundestag  in Kooperation mit Spiegel Online  von Veit Medick © Karlheinz Schindler, Daniel Karmann, Arne Dedert – dpa