Stadtstreicher Nr. 62

Bilanzen

Am Jahresende werden überall die berühmten Bilanzen zusammengestellt. Meist fallen diese recht erfolgreich aus. Niemand will diese schließlich mit Pannen, Fehlpässen oder dringenden Handlungsbedarf garnieren. Solche Eingeständnisse fallen schwer. Dies nicht nur bei unseren höhergestellten Politikern, sondern auch weiter unten, selbst bis zu den Vereinen. Eine Statistik über die Armutsgrenzen und deren Ursachen gehört da schon zu den Ausnahmen solcher Überblicke.

Dabei ist das Jahr 2011 mehr als bewegend gewesen, einschließlich zahlreicher Horrornachrichten. Im Prinzip ist, ganz nüchtern betrachtet, eigentlich gar nicht so viel Positives zu berichten, wie wir überall lesen können. Mit Ausnahme der guten Konjunkturlage in Deutschland müssen da schon kleinere Einzelheiten herhalten, um das Gesamtbild etwas aufzuheitern. Oder man muss schon tief graben, um einige der wenigen wirklich erfolgreichen politischen Ereignisse ins Scheinwerferlicht zu stellen. Aber es hätte ja noch schlimmer kommen können. Das zumindest ist uns (vorerst) erspart geblieben. Und die große Masse ist damit zufrieden. Ganz wenige sogar sehr zufrieden. Aber mehr zu tun oder gar auf mehr zu verzichten bleibt damit der Zukunft vorbehalten.

Da finde ich einige wenige Milliardäre in den USA, die dem Staat angeboten haben, freiwillig mehr zu geben, als dieser von ihnen verlangt, schon als ein besonderes Hoffnungszeichen. Solche Einsichten mit Anstand brauchen wir. Das tut unser „Geldadel“ höchstens bei glanzvollen Galaabenden und Parteizuwendungen gegen Spendenquittung. Die meisten bringen aber ihr Vermögen gleich irgendwo im Ausland ins Trockene und verzichten dafür auf die Spendenquittung. Solche Sorgen hat der normale, gläserne oder Video überwachte Bürger mit Lohnsteuerkarte natürlich nicht. Der kleine Sparer bekommt auf seine Anlage dafür nicht einmal mehr den Zins, um die Verteuerung ausgleichen zu können. Ein paar Dumme braucht halt unser System. Leider sind das immer dieselben. Kein Wunder, wenn die Leute auf die Straße gehen. Sie haben auch meine Sympathien.

Wie sagte vor kurzem der ehemalige Ministerpräsident unseres Landes, Erwin Teufel, CDU: „ Der Kapitalismus hat versagt. Die reine Willkür und die Geldgier haben sich durchgesetzt.“ Auweh! So eine Ohrfeige. Dieser Mann orientiert sich tatsächlich noch an Werten. Diese und andere vernünftige Einsichten teilen übrigens einige der ehemaligen führenden Politiker. Alle einsame Rufer in der Wüste. Zu sagen haben diese Pensionäre allerdings nichts mehr; sind also im Boden vergrabene Dinosaurier. Mit der Globalisierung hat sich alles verändert. Damit kann man alles glaubwürdig rechtfertigen, was schief läuft. Schön einfach!

Aber verlassen wir die höheren Etagen unseres Frustes und kehren wir in die Federseeniederung zurück. In unserem Naturschutzgebiet ist die Welt noch ein Paradies, zumindest im Vergleich mit der großen Politik. Da nagt der Biber noch nicht an den letzten Reserven unseres Nervenkostüms. Schon eher verdreht der unflätige Stadtstreicher mit seiner spitzen Feder das Geschehen. Entschuldigung, wenn’s manchmal hart war. Aber wehret den Anfängen. Denn auch bei uns neigt man dazu, die Rosen immer wieder ohne Dornen vorzustellen. Oder den komplizierten demokratischen Weg etwas abzukürzen. Oder blauäugig zu wandeln. Oder zu einseitig zu argumentieren. Oder der Bürgermeister oder der Gemeinderat tritt in ein Fettnäpfchen. Bloß sollte so etwas halt nicht an den Gesetzesgrenzen vorbeigehen. Ein wenig breitere oder kritische Information kann da nicht schaden. Wir stellen fest, dass diese Hoffnung durchaus gewisse Früchte tragen kann. So ist z.B. der Jahresrückblick unseres Bürgermeisters im Laufe der Jahre immer informativer ausgefallen. Wenn auch nicht alles angesprochen wird, wie das Problem des Progymnasiums oder das Feuerwehrgerätehaus oder die östliche Umgehung mit Oggelshauser Strasse oder die nachlassende Attraktivität unserer Stadt (Schließungen, Bevölkerungsrückgang). So manches ist auch bei uns ein schleichender Vorgang, kein Paukenschlag des Erfolges oder Misserfolges.

Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen, für 2012 im privaten Bereich die Übersicht zu behalten, damit sie ihren vorgefassten Wunschzettel unter noch zufriedenstellenden Umständen auch wieder einlösen können.

Wir hören wieder voneinander.

P.S. Auch unseren Bundespräsidenten Wulff müssen wir unbedingt bedauern. Man wird da so von Mitleid geschüttelt. Er braucht für sein „Häusle“ Kredite von wahren Freunden oder „netten“ Banken. Vielleicht sollten wir dem verarmten Mitbürger als treu sorgende Untertanen auch noch ein verspätetes Weihnachtsgeschenk zukommen lassen? Dafür eine Spende weniger für die Hungerleidenden, Straßenkinder oder Katastrophenopfer!