Stadtstreicher – Kolumne Nr. 28

Ein guter Wunsch zum Jahreswechsel: „Fange nie an aufzuhören und höre nie auf, anzufangen.“

So ein Jahresübergang passt ja schon in die nachdenkliche Weihnachtszeit. Ein bisschen Bilanz ziehen und ein wenig Vorausblicken tut sicher jeder, wenn der Zeiger an Silvester den Ruck ins neue Jahr macht. Und wohl ganz besonders, wenn ein Jahrzehnt des neuen Jahrtausends schon wieder hinter uns liegt. Wie doch die Zeit vergeht. Persönlich, bei jedem Einzelnen, hat sich in der vergangenen Dekade sicher mehr oder weniger viel verändert. Allen gemeinsam ist nur das Älter werden, das Drehen der Uhrzeiger. Alles andere ist individuell ganz verschieden gelaufen. Manchmal schicksalsbedingt außerhalb unserer Eingriffsmöglichkeit, anderes konnten wir lenken und mitbestimmen. Vieles bewusst, einiges unbewusst, manches rein zufällig. Ja, die berühmten Umstände, die alles beeinflussen und die wir oft nur unzureichend im Griff haben. Damit können wir unsere Schwächen und Fehlgriffe entlasten. Bequem und gefährlich gleichzeitig. Deswegen: höre nie auf, anzufangen!

Kein Wort wird um den Jahreswechsel herum wohl so oft ausgesprochen, geschrieben und verschickt, wie das Wort „Glück“. Vielleicht ist es da und dort auch reine Floskel geworden, genau wie ein “Guten ‚Tag“. „Wie geht’s?“. Denken wir einmal nach, was dieses Wort meinen kann. Glück: dieses kurze Wort, das ständige Ziel unseres Lebens? „Glücklich leben“, meint Senaca, „will jedermann, aber was zu einem solchen glücklichen Leben gehört, das ist den meisten unklar und verborgen.“ Viele Aussagen stimmen darin überein, dass das Glück etwas Augenblickliches, Flüchtiges ist. Glück ist bestimmt etwas Individuelles, Persönliches. Für jeden ist das Glück etwas anderes, und es hängt von der Situation, vom Augenblick ab, was sie gerade als Glück empfinden: Ein Schluck Wasser nach einer hitzigen Bergwanderung, einen wärmenden Kachelofen oder die Geborgenheit des Hauses bei grimmiger Winterkälte, ein Bett, in das man sinken kann, ein Lächeln, eine Aufmunterung. Glück erwächst aus dem Augenblick, und oft nehmen wir es erst wahr, wenn es vorbei ist. Glück lässt sich also nicht machen, planen, konstruieren. Wir können uns aber etwas „einüben“ in die Glücksbereitschaft. Wir können lernen, etwas von den vielen Glücksmöglichkeiten um uns wahrzunehmen. Das Gespür für das kleine Glück im Alltag. Und wer dann noch jammert, dass dieses Leben langweilig und leer ist, dem ist nicht mehr zu helfen.

Glück ist aber auch nicht zuletzt da, wo man es weitergibt. „Glücklich machen“ meint Fontane, „ist das höchste Glück.“ Wenn wir an jedem ersten Tag im Jahr den anderen Glück im neuen Jahr wünschen, dann sollten wir es nicht bloß bei dem frommen Wunsch belassen, sondern auch selbst ein wenig Augen und Ohren aufmachen, wann, wie und wo es uns glücklich machen kann, ein wenig von dem kleinen Glück in diese Welt zu bringen. Ehrlichkeit, Wahrheit, Offenheit und tugendliche Bereitschaft im gemeinsamen Umgang sind darin eingeschlossen.

Noch eine kleine Geschichte:  Ein Rabbi sah einen auf der Straße eilen, ohne rechts und links zu schauen. „Warum rennst du so?“ fragte er ihn. „Ich renne meinem Glück nach“ antwortete der Mann. „und woher weißt du“, fuhr der Rabbi fort zu fragen, “dein Glück laufe vor dir her, dass du ihm nachjagen musst? Vielleicht ist es dir im Rücken, und du brauchst nur innehalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor ihm“.

Ernst Jünger meint: „Der Mensch, der keine Zeit hat, kann schwerlich Glück haben.“Also dann: Glück auf ins Neue Jahr, liebe Leser!

Ihr Stadtstreicher

PS.: Meine Gedanken zum Jahreswechsel gehen natürlich auch zu unseren rathäuslichen politischen Vertretern und Repräsentanten. Wie könnte ich die nach so einem turbulenten Jahr vergessen. Sie haben leider weniger durch tugendliche Rechtschaffenheit geglänzt als vielmehr durch herrschaftliches Gehabe und Selbstüberzeugungsgepolter. Wie gut, dass wir unter dem Dach eines freien Rechtsstaates leben. So kann man wenigstens noch etwas korrigierend anmahnen, wenn auch noch lange nicht überzeugen. In Moor- und Nebelgebieten oder im System unseres BM braucht es halt etwas länger, bis die Sonne durchbricht …… Aber auch hier sollte man nie aufhören, zu hoffen.

Demokratieleitwort unseres Bürgermeisters: Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken. Vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir. Mark Twain, amerikanischer Schriftsteller (1835 – 1910)

In diesem Sinne den Damen und Herren ein besonderes frohes Neues Jahr – A particular happy New Year all together (für den englisch sprechenden Teil des Gremiums).