Feiern oder Trauern? Buchauer Moorochsen laden zum Ball der Saison – am Gedenktag der Opfer der Reichspogromnacht

Bad Buchau Den Samstag vor dem 11. 11. haben sich die Bad Buchauer Moorochsen fest im Kalender reserviert: Kurz vor Fasnetsauftakt lädt die traditionsreiche Narrenzunft zu ihrem „Ball der Saison“, und das seit 35 Jahren. Am 9. November gedenkt man dagegen in ganz Deutschland der Juden, die Opfer der nationalsozialistischen Gräueltaten während der Reichspogromnacht 1938 wurden. Und in diesem Jahr fallen beide Termine auf denselben Tag – eine äußerst unglückliche Konstellation, wie einige Buchauer finden.

Zumal die Gedenkfeier zum 75. Jahrestag heuer umfangreicher ausfällt. Da sie so erst kurz vor Ballbeginn endet, sticht der Kontrast zwischen beiden Veranstaltungen umso stärker ins Auge. Beides geht nicht, findet deshalb Bürgermeister Peter Diesch – und hat sich entschieden: „Ich gehe natürlich zur Trauerfeierlichkeit. Und ich halte es nicht für angemessen, gleich danach eine Tanzveranstaltung zu besuchen.“ Auch kein anderer Vertreter der Stadt werde den Ball besuchen, so Diesch: „Ich denke, es war ein bisschen unsensibel von den Moorochsen, wobei ich ihre Argumentation durchaus nachvollziehen kann.“

Noch deutlicher drückt Charlotte Mayenberger, Initiatorin der Gedenkfeier, ihre Bedenken aus: „Ohne allzu schulmeisterlich zu sein: Ich glaube, da fehlt es ein wenig am Bewusstsein. Wäre der Ball in Schussenried, Biberach oder Saulgau, würde sich kein Mensch daran reiben. Aber in einer Stadt, wo vor 75 Jahren ein Gotteshaus gebrannt hat, wo Menschen im Nachthemd durch die Straßen getrieben wurden und die Fensterscheiben von angesehenen Geschäftsleuten eingeschlagen wurden – da ist so etwas nicht passend.“

Warum es überhaupt zum Zusammentreffen beider Termine kam, ist im Nachhinein nicht ganz einfach zu rekonstruieren. Tatsache ist, dass das Problem wohl bereits vor einem Jahr bei einem Vereinstreffen angesprochen wurde. Tatsache sei aber auch, dass sich die Zunft vergebens um einen Ausweichtermin bemüht habe, berichtet Zunftmeister Uwe Vogelgesang. Doch den Ball im Jubiläumsjahr ausfallen zu lassen, das habe man eben auch nicht gewollt. Monatelang tauchten daraufhin beide Termine im Buchauer Veranstaltungskalender auf, sagt Vogelgesang. Als die Stadt dann vor etwa drei Wochen noch einmal auf die Moorochsen zukam, sei es schlichtweg zu spät gewesen, den Ball abzusagen, so der Zunftmeister: „Ich kann das nicht ganz nachvollziehen.“

Gleichwohl wollen die Moorochsen den Veranstaltern der Gedenkfeier entgegenkommen: Eine Maskenvorstellung wie in den Vorjahren üblich soll es auf diesem Ball nicht geben – um die Veranstaltung nicht allzu närrisch zu gestalten. „Das Miteinander muss bleiben“, begründet der Zunftmeister den Kompromiss.

Und zum Krautnudelessen am 11. 11. werden Moorochsen, Akteure und Besucher der Gedenkfeier ohnehin wieder alle an einem Tisch sitzen. Auch Mayenberger wird wie immer am Traditionstreffen teilnehmen: „weil ich die Moorochsen für ihre tolle Jugendarbeit und Brauchtumspflege sehr schätze“.

Und künftig, sind sich beide Seiten einig, wolle man einfach das Naheliegende tun: miteinander reden.   ( sz- a. grüninger)

 

Gedenken – 75 Jahre Pogromnacht (Stadt Bad Buchau schreibt:)

Am 9. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen

Auch in Buchau, einer jüdischen Landgemeinde, wurde in dieser Nacht in der Synagoge Feuer gelegt. Anlass zu den Ausschreitungen gegen die Juden war das Attentat des Juden Herschel Grünspan, der am 7. November 1938 in Paris den deutschen Gesandtschaftsrat, Ernst vom Rath, erschoss. Propagandaminister Joseph Goebbels verkündete, dass spontane Demonstrationen gegen die Juden von der NSDAP nicht entgegengetreten werden soll. Auch der SA-Brigadeführer Erich Hagenmeyer aus Ulm wurde telefonisch unterrichtet. Er gab daraufhin der ihm unterstellten SA-Standarte Ochsenhausen den Befehl, die Buchauer Synagoge anzuzünden. Die Standarte 246 aus Ochsenhausen kam mit ihren Leuten am 9. November 1938 nach Buchau und legte Feuer in der Synagoge. Das wurde von den Buchauer Juden bemerkt. Der Bürgermeister und die Feuerwehr wurden verständigt und so konnte der Brand in dieser Nacht gelöscht werden. Die Feuerwehr
hielt Wache, dass das gelöschte Feuer nicht wieder entfachte. Nach dieser Nacht wurden am frühen Morgen fünfzehn Männer verhaftet, im Rathaustürmchen eingesperrt und anschließend nach Dachau deportiert. Alle kamen wieder zurück, aber jedem war bewusst, dass sich die Situation der Juden in Deutschland verschlechtern würde. In der Nacht vom 10. auf den 11. November kam die SAStandarte erneut nach Buchau und zündete
die Synagoge wieder an. Das Gestühl wurde zerschlagen, mit Benzin übergossen und angezündet. Die Feuerwehr durfte in dieser Nacht nicht löschen. Es war ihr nur gestattet, die umliegenden Häuser
zu schützen. Die Synagoge, die einst als Prunkstück in der Mitte der Stadt stand, war nun eine ausgebrannte Ruine. Als „ein Schandfleck im Stadtbild“ wurde das Gotteshaus bezeichnet. Die Buchauer Juden mussten
selber für die Kosten der Sprengung aufkommen. Am 18. November wurden die Synagogenmauern gesprengt, die Ziegelsteine verkauft und mit dem „Bauschutt“, Steine die man nicht verbauen konnte, wurden feuchte Moorwege aufgefüllt. Heute steht an der Stelle wo einst der Thoraschrein war eine Trauerweide und einige Steine der Synagoge liegen auf dem jüdischen Friedhof.

Ökumenischer Gedenkgottesdienst mit Schweigemarsch
Um an die Geschehnisse vor 75 Jahren zu erinnern, findet am 9. November 2013, um 18 Uhr ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Stiftskirche Bad Buchau statt. Daran schließt sich ein Schweigemarsch an, der am Platz der ehemaligen Synagoge vorbei zum Jüdischen Friedhof führt. Auf dem Jüdischen Friedhof wird das Gedenken in gewohnter Weise mit Texten, Stille und Musik seinen Abschluss finden.

 

12 thoughts on “Feiern oder Trauern? Buchauer Moorochsen laden zum Ball der Saison – am Gedenktag der Opfer der Reichspogromnacht

  1. Bad Buchau ist bekannt für seine „Terminprobleme aller Art“.
    Mal werden gleich ganze Veranstaltungen vergessen weil man anderes im Kopf hat ( siehe 50 Jahre Moorheilbad Titelverleihung) und dann wiederum werden drei Veranstaltungen an einem Tag durchgezogen mit dementsprechend wenigem Publikumsverkehr bei den einzelnen Veranstaltungen. Keiner weis vom anderen und jeder meint er sei der einzige Veranstalter an dem Wochenende. Müsste nicht dringend ein Terminberater/in für unseren Bürgermeister eingestellt werden. Im neuen Bürgerbüro findet sich bestimmt ein Platz für 2 Stunden Terminplanung am Vormittag. Immerhin hat er den Termin als Hausherr in der Halle ohne Diskussion wie man hört genehmigt, sonst wäre das Theater nicht entstanden. Vermutlich hat er beide Termine vergessen und ist total überrascht worden was da in zwei Wochen alles an Terminen aufläuft: WIE IMMER WIEDER DER BUCHAUER WEG.

    1. Vor vielen Jahren stand der „BUCHAUER WEG“ dafür:“raus aus den Problemen“. Heute steht er dafür: „rein in die Probleme“ Darin liegt der Unterschied. Hoffentlich merkt man das endlich.

  2. „Um an die Geschehnisse vor 75 Jahren zu erinnern, findet am 9. November 2013, um 18 Uhr ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Stiftskirche Bad Buchau statt“.

    Warum nicht den Gottesdienst nicht auf 15.00 Uhr planen und maches wäre einfacher gewesen

    1. Zufällig brannten die Synagogen nachts.
      Sie verwechseln das mit dem Karfreitag „in der neunten Stunde“ – also um 15 Uhr

  3. Ich denke mir leben in einem freien Land?!? Es sollte jedem selbst überlassen sein, was er an einem Samstag macht. Ich find es völlig in Ordnung daran zuerinnern was, vor 75 Jahren geschehen ist. Allerdings sollte dass nicht EINFLUSS haben auf anderweitige Veranstaltungen haben!

  4. Wer am Trauerzug und dem Gottesdienst anwesend war, merkte wie unpassend ein Ball am selben Abend ist, als damals in dieser Nacht gerade auch in Bad Buchau Menschen starben, gedemütigt wurden und vieles brannte.

  5. Die Feststellung um Schluss des Zeitungsartikels ist die Lösung: „ Miteinander reden“. Nicht übereinander reden. Und das nicht erst fünf Minuten vor 12,00 Uhr unter dem massiven Druck unverrückbarer Verhältnisse, sondern etwas vorausschauender denkend und planend. Ist das denn in Bad Buchau nicht mehr möglich? Dabei haben wir doch so viele Bürgertische nach der Dieschen Agenda neben dem Gemeinderat her. So viele, dass sich keiner mehr zuständig fühlt geschweige denn, sich handlungsfähig zeigt.

  6. Wenn man keine Probleme hat macht man sich eben welche. Laupheim, neben Buchau, hatte auch eine große Jüd. Gemeinde und hat auch wie Buchau einen jüd. Friedhof. Nur komisch, da stellte sich nicht die Frage : Trauern oder Feiern?
    Zumindest ging dort gestern der große Herbstball des Turnvereins über die Bühne.
    Nur hier in Buchau geht sowas natürlich nicht. Die Frauen des Kath. Frauenbundes mussten sogar kurzfristig auf Anweisung von „oben“ ihre Teilnahme beim Programm der Moorochsen absagen. Dabei wäre mit etwas gutem Willen alles so einfach zu regeln gewesen. Die Gedenkfeier am Nachmittag, dann hätten auch mal Schüler, sofern gewollt, dabei sein können, oder auch am Sonntag gegen Abend, aber man müsste halt wollen…….

  7. Schön wäre es wenn sich mal ein Moorochs melden würde, warum man diesen Termin gewählt hat. Schließlich hatte Frau Maienberger mit ihrer städtischen Gedenkfeier die“älteren“ Rechte und die Moorochsen wußten davon.

  8. Was macht eigentlich einer der am 11.11. Geburtstag hat darf er auch nicht Feiern weil Frau Mayenberger das „ältere“ Recht auf seiner Seite hat!

    Entschuldigung aber lächerliches Buchau, mit samt dem Bürgermeister und seinen *****kriechern!!!!

    1. Jeder darf seine Meinung bilden. Aber was eine rein private Geburtstagsfete mit einer öffentlichen Ballveranstaltung zu tun hat, muss man schon näher erklären. Wir sollten bei einem ernsten Thema schon sachlich bleiben und nicht alles in den Wurstkessel werfen, was einem zufällig in den Kopf kommt.
      Die Empfehlung wäre, sich mit dem damaligen Geschehen in Bad Buchau einmal näher zu befassen. Dann urteilen.

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