Einige Denkanstöße zur Umfrage „Gemeinderatssitzungen“

Brigitte Geißel Dr. phil., Dipl.-Pol., geb. 1962; Wissenschaftliche Angestellte am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), WS 04/05 Vertretungsprofessur an der Universität Münster.

Denkanstöße: „Ein über Wahlperioden hinweg andauernder Verlust an politischer Unterstützung würde demokratische Institutionen schwächen, den Glauben an die Demokratie untergraben und schließlich unweigerlich zu ernsthaften Krisen oder sogar Zusammenbrüchen führen. Unterstützung galt deshalb als unentbehrliche staatsbürgerliche Tugend und stand – mit einigen wenigen Ausnahmen – bis in die achtziger Jahre im Zentrum der Forschung.

Seit den neunziger Jahren setzte sich die Vorstellung von Kritik als Ressource für (die Weiterentwicklung von) Demokratien immer stärker durch. Kritik wird heute seltener als Krisenindikator und Bedrohung von Demokratie, sondern als Antriebskraft und Stimulus für politische Reformen interpretiert. Demokratische Systeme entwickelten sich weiter, wenn kritische Bürgerinnen und Bürger die Umsetzung demokratischer Ideale einforderten und für institutionelle Reformen kämpften.“ Kritik wird heute seltener als Krisenindikator und Bedrohung von Demokratie, sondern als Antriebskraft und Stimulus für politische Reformen interpretiert. Demokratische Systeme entwickelten sich weiter, wenn kritische Bürgerinnen und Bürger die Umsetzung demokratischer Ideale einforderten und für institutionelle Reformen kämpften.“

.

Betrachtet man unter obiger Abhandlung die laufende Umfrage in „amfedersee.de“ „Werden Ihrer Meinung nach zu viele Gemeinderatssitzungen nicht-öffentlich abgehalten?“, so ergibt sich doch recht aufschlussreiches Potential.

Der Größte Teil unserer Bürger besitzt noch echtes Gottvertrauen in unsere Obrigkeiten, so wie es unserer barocken Landschaft konventionell angemessen ist. Sie verharren damit in der längst überholten Ansicht, Demokratie lebe ausschließlich von traditionellem Brauchtum, überkommener Ehrfurcht aus Rechtschaffenheit und staatspolitischer Weitsicht. Kritisches Denken und Aufgeschlossenheit schwächt und untergräbt das Bollwerk. Dagegen stützt bequeme Zufriedenheit und gefällige Unterwürfigkeit das System in seinem Fortschritt.

Fast die Hälfte unserer Bürger hat sich dagegen – in Anbetracht der klaren Realitäten- schon aufgeschlosseneren Erkenntnissen geöffnet. Sie haben realisiert, dass Fehlentwicklungen wie auch Krisen zumeist letztlich auf dem Rücken und auf Kosten der Bürger korrigiert werden und daher der Bürger auch das Element des Handelns und der Kontrolle beeinflussen muss. Kritische Einmischung ist keine Gefahr für die Demokratie sondern eine Quelle der Bereicherung und der Weiterentwicklung. Politisch informierte Menschen vertrauen fürstlichen Vertretern, die sich wie Sonnenkönige benehmen, nicht mehr alles zu.

Die Restgruppe sind die völlig – und wohl auch vielfach – Enttäuschten. Sie sind vom Frust übermannt und glauben wohl auch nicht mehr an demokratische Selbstreinigungskräfte. Ihnen sollte unsere größte Aufmerksamkeit gelten.

3 thoughts on “Einige Denkanstöße zur Umfrage „Gemeinderatssitzungen“

  1. „fast die Hälfte unserer Bürger“?
    Wie ist das gemeint?
    Bezieht sich das auf die 47% der Umfrage?

    1. Nein, es bezieht sich auf die Frage: „Definitiv, in Bad Buchau wird zu viel geheim beraten (etwa 42 % der Umfrage). Geheime Beratungen auf Kosten der Durchschaubarkeit der Beschlüsse und fehlender Transparenz der Entscheidungswege.

Comments are closed.