Der Stadtstreicher – Kolumne 16

Jubiläum

Wenn ich als Stadtstreicher auf das Jubiläum 4 Jahre „amfedersee.de“ nicht eingehen würde, wäre das glatte Existenzleugnung. Ich kann doch dieses Ereignis nicht völlig übergehen. Was wäre ich denn, ohne meinen „schwarzen“, sehr lukrativen Nebenverdienst? Ein total abhängiger Almosenempfänger!! Noch weniger als bisher, also ein vollkommenes Nichts. Wer will das schon sein? Obwohl das nicht so abwegig ist. Es gibt genügend, die mehr oder weniger im Schatten stehen, vielleicht auch noch Halbschattengewächse sind. Immer besorgt, was der nächste Tag oder gar die weitere Zukunft bringt. Dabei denke ich nicht nur an die materielle Absicherung sondern auch an das allgemeine Wohlergehen. Der Mensch lebt ja bekanntlich nicht nur vom Brot allein. Ein Schluck Erfrischung in anderer Hinsicht ist eben auch wichtig. Daher habe ich eben gedacht, bevor ich mich an der Rathaustreppe, mit einer Schwäbischen Zeitung oder gar dem Federseejournal bewaffnet, zum Betteln anstelle, nehme ich den Job als Stadtstreicher an. Besser als das andere oder eben gar nichts tun. In der Nähe des Rathauses fühle ich mich ehrlich gesagt sowieso nie ganz wohl. Ich habe da immer eigenartige Beklemmungsgefühle aufzuarbeiten. Ihnen geht es ebenso? Aber das ist ein anderes Kapitel.

4 Jahre „amfedersee.de“. Für die einen ein Grund zum Freuen, für andere der Untergang der Buchauer Kultur oder zumindest des „Buchauer Weges“, ein Dolchstoß gegen Harmonie und Eintracht. Hinter diesen ehrbaren Begriffen kann man sich so hübsch verstecken, um sein Süppchen unbekümmert und möglichst heimlich zuzubereiten. Dabei wäre doch die Frage angebracht, warum ist „amfedersee.de“ überhaupt entstanden? Aus dem Nichts? Oder aus gewissen Bedürfnissen heraus, die sich im Laufe der Zeit angestaut haben? Ja noch interessanter wäre die Frage, wieso konnte sich diese Initiative von Herrn Weiss bei uns so stabil verankern und weiterentwickeln? Trotz aller Widerstände und Verteufelungen von Anbeginn (hauptsächlich aus dem Rathausbereich). Fürchtete man von dort aus zu Recht Unbequemlichkeiten, denen man sich nicht stellen mochte oder aus berechnenden Gründen nicht stellen wollte? Deswegen entschied man sich zur totalen Verweigerungsblockade. An Bedrängungen zur Einstellung dieser Internetplattform von dort aus fehlte es wirklich nicht. Hier musste Herr Weiss schon Standfestigkeit beweisen. Die Hoffnung der Gegner, der Funke würde bald verlöschen und nie zum Feuer anwachsen, schlug leider dann doch fehl.

Natürlich ist „amfedersee.de“ kein Kulturmagazin oder Sonntagsblatt, wird es auch nie eines sein. Daran geilen sich die Gegner gerne auf. Unseriös, unsachlich und beleidigend, unterste Schuhblade, Stammtischniveau, substanzlos usw.. Wir kennen nicht nur aus der großen Geschichte genügend Beispiele mit ähnlichen Bewertungen. Gutsherrenart stößt an Grenzen im Großen wie im Kleinen. Man sollte Ideen und Gedanken nie „herrschaftlich borniert“ abwürgen sondern „den Zeitgeist daraus“ erkennen. Hochmut kommt vor dem Fall. Besser: „ Höre auf das, was andere zu sagen haben, denn auch Einfältige und Unwissende haben ihre Botschaft“ …und GEFÜHLE. Dies merkt man auch in den anonymen, teils etwas unbeholfenen Beiträgen dieses Forums. Laufende Geheimniskrämerei geht langfristig auch bei Kommunalpolitik nicht gut. Die Bevölkerung will informative Aufklärung bei Beratung und Entscheidung, um das Ergebnis bewerten zu können. Was nützt da, die im Tresor des Rathauses verwahrte Diesche “ Lokale Agenda“, die seit 2003 in abgeschirmten Sitzungen/Klausuren erarbeitet und fortgeschrieben wurde? Bis jetzt wurden diese Bibelbotschaften uns noch nie richtig ausgelegt, nicht einmal in einer Weihnachtspredigt. Wie soll man da „vom Betroffenen zum Beteiligten“ werden?

Ja, die Anonymität, das Urübel dieses Mediums, ein Dorn im Auge des Gegners. Dabei läuft heute fast alles anonym ab, nicht nur Wahlen und Umfragen aller möglichen Art. Wenn man die wahre Meinung/Stimmung wissen will, geht es nur anonym. Man kämpft zu Recht um seine persönlichen Daten und seine Privatsphäre, um eben diese Anonymität bewahren zu können. Das ist das Einzige, das uns als Individuum noch schützt. Also liebe Gegner, nicht päpstlicher verhalten als notwendig. Legt den Heiligenschein, den ihr euch selbst nicht anziehen würdet, ab. Ihr verhandelt ja im Gemeinderat auch sehr gerne (und ohne rechtlichen Grund) nicht öffentlich, vor allem auch, um euch mit eurer persönlichen Meinung verstecken zu können. Soweit mir bekannt, ist nicht öffentlich (geheim) sehr verwandt mit anonym. Keiner traut sich aus seinem Schneckenhaus! Ist das vielleicht nicht scheinheilig? Wieso also mit zweierlei Maß messen?

Rechtlich kann jeder bei „amfedersee.de“ verfolgt werden, der hier schreibt und sich nicht an Gesetz und Ordnung hält. Aber das überlassen wir getrost dem Gericht und nicht dem Rathaus.

Vielen, und den meisten, die es nicht zugeben, würde heute „amfedersee.de“ doch wohl fehlen. Das behaupte ich mal so. Kein Zweifel, die Weiss’schen Internetseiten haben sich etabliert und auch von den Beiträgen und der Meinungsvielfalt her durchaus positiv entwickelt. Auf jeden Fall ist es ein Ventil, sich den Frust von der Seele zu schreiben und sich nicht ganz so nutzlos vorzukommen. Manchmal dient es ja sogar dazu, Missstände aufzudecken und Verfehlungen aufzuzeigen. Auf jeden Fall ergänzt es die magere offizielle und farblose lokale Berichterstattung mit Lebenszeichen. Wer höhere Erwartungen hat (oder auch schon“ tot“ ist), braucht diese Seiten ja nicht aufzumachen (wie angeblich mehrere Stadträte).

Aber vielleicht hören wir dennoch wieder voneinander.