Biberacher Schützenfest – Ausnahmezustand, oder zum schießen…

Achtung, Ausnahmezustand!

Schützen ist nun mal ein „Ausnahmezustand“, das wissen wir alle. Wir alle haben in unserer Jugend an Schützen über die Stränge geschlagen (tun wir heute noch), wir waren immer etwas zu betrunken, Herr Dahinten hatte einen Riesenspaß, betrunkene Schweden oder Kaiserliche beim Ausschlafen auf dem Festplatz / Lagerleben zu fotografieren und die Bilder in der SchWäZ zu veröffentlichen. Diese Bilder waren in keinem Fall Grund für elterliche Sanktionen, da die Eltern sich an die eigene Jugend erinnerten. Wenn ich Revue passieren lasse, dass mein Vater in Seinen jungen Jahren zusammen mit zwei anderen honorigen Biberachern z.B. Fahnen „resozialisierte“ und in einer großen „Befreiungsaktion“ die Forellen aus dem Schauaquarium des „Hotel Rad“ entführte, um sie, nachdem man die Tür des damals im Rathaus befindlichen Polizeirevieres mittels eines Kälberstrickes gesichert hatte, mit großem Tamtam im Martbrunnen „in die Freiheit zu entlassen“ während die Polizisten vergeblich und immer wütender werdend versuchten, ihre Türe mit Gewalt zu öffnen (Zuruf: „Hallo, die Herren Polizeioberkommissare, das Fenster (ebenerdig) ist offen…“), sehe ich , dass immer schon ein gewisses „Unfugpotential“ herrschte. Dies war u.A. eine „Racheaktion“, da einer der Diensttuenden die jungen Männer immer wieder wegen ungebührlicher Nutzung diverser Fußwege mit dem Fahrrad anzeigte. Das Alter der Herren: ca. 18 Jahre. Das Jahr: Um 1949.

Auf weberberg.de  ist ein Link zu finden, der auf eine Seite leitet, auf der aufgeführt wird, wie die Rechtsprechung in Mainz während des Faschings gehandhabt wird. Es wird auf die Eigenverantwortlichkeit der Festbesucher gesetzt, was an Schützen automatisch passiert. Es gilt, überspitzt dargestellt, das Prinzip: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Ich erinnere mich an diverse Rangeleien, denen ich oder Andere durch Zureden ein Ende gesetzt haben. Ich weiß nicht, warum der Trend zu immer mehr Sicherheit („gefühlter“ Sicherheit), immer mehr Restriktionen zeigt. Dass der Staat Seinen Bürgern nicht vertraut, ist bekannt. Dass aber die „traditionell weltoffene“ Stadt Biberach Ihren Bürgern auch nicht vertraut, ist ein Armutszeugnis. Denn die Stadt Biberach kennt Ihre Bürger, es sind ja nicht sooooo viele.

Apropos viele: Es sind auch nicht viele der vielbesungenen Jugendlichen in der Consulentengasse. Das Gros der Festbesucher dort ist über 30. „Jugendschutz“ findet durch die anwesenden Erwachsenen statt. Denn auch das ist einer der sympatischen Effekte dort: Es wird aufeinander aufgepasst. Kein Wirt wird einem betrunkenen Jugendlichen wegen der paar Euro n o c h ein Bier geben. Der Satz „ich glaube, Du hast genug und solltest nach Hause gehen“ fällt an Schützen an jedem Ausschank mehrfach an einem Abend.

Security? In der Vergangenheit wurde meiner Erfahrung nach von solchen schwarzbejackten, oft schlecht ausgebildeten weil aus Harz IV – Empfängern rekrutierten Männern und Frauen der Schaden oft erst angerichtet. Die Schulung der Security-Leute ist meist ungenügend, eine kurze Einweisung muß oft schon reichen. Dann das Auftreten der Security in schwarzer „Uniform“, das jedem sofort klar macht: Hier wird agiert! Eine einfache Armbinde mit der Aufschrift „Ordner“ sollte an so einem Fest genügen, da ein ziviles Auftreten der Securityleute der „Bedrohungssituation“ sofort den Wind aus den Segeln genommen hätte. Wir sind uns doch im Klaren, dass Macht, die jemandem verliehen wird, auch mit Vehemenz ausgeübt werden wird. Das schafft doch erst die Probleme! Die Situation hätte sich im Gros der Fälle eh von selbst entschärft, wenn man nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln auf die „Störenfriede“ los gegangen wäre. Es fehlt die psychologische, deeskalierende Schulung – und Erfahrung im Umgang mit Menschenmengen! Karten abreißen, Präsenz zeigen, das kann jeder. Um deeskalierend auf Menschen zu wirken braucht es mehr als ne schwarze Jacke und nen Schlagstock sowie Machogehabe. Diesen Absatz schreibe ich aufgrund meiner Erfahrungen auf Rock- und Heavy-Metal – Konzerten, die ich als Musiker und Gast öfter aufsuche als der „Bundesdurchschnitt“. 😉

Ich erinnere mich an meine Tage als Türsteher im „U“, der Diskothek unter dem Woodpecker. Auch damals gabs Stresskandidaten und schwer betrunkene Gäste. Ich musste aber in den 3 Jahren, in denen ich diesen Posten gerne an den Wochenenden einnahm, gerade mal 6 Leuten die Tür weisen, dabei war nur ein Einziger, der mit Gewalt zur Tür raus musste. Danach kamen grundsätzlich die Kumpels der Unruhestifter zu mir und erklärten, dass der wohl draussen wäre, da er den ganzen Abend schon wegen persönlicher Probleme zu viel getrunken und Stress gemacht hätte. Die meissten Probleme konnte ich mit einem ruhigen Gespräch klären – während heute Security gleich mal vorrechnet, wie viele Leute man braucht, um Betrunkene zu überwältigen. Plus Polizeiaufgebot, da man als Security ja nicht fesseln dürfe. Plus der Frage, wie man sich bei Drogenfunden verhalten soll. Von was in aller Welt gehen diese Menschen denn aus? Von einer gewaltbetonten Drogenparty, bei der hemmungslos gesoffen und geprügelt wird? Was soll diese „Worst-Case“ – Masche denn? Was war denn das Schlimmste, das an Schützen – und im Speziellen in der Consulentengasse – passiert ist? Ich möchte bitte endlich die Statistik sehen, die mir zeigt, dass die Consulentengasse tatsächlich einen „Gewaltbrennpunkt“ darstellt. Wie viele Alkoholleichen wurden im Laufe der Jahre abtransportiert? Wieviel Verletzte? Nota bene: Wir sind nicht auf Schalke! Es gibt am Schützenfest keine Blöcke, die voneinander getrennt werden müssen, um Ruhe und Frieden zu erzwingen! Es handelt sich um ein Fest, einen einmal im Jahr stattfindenden Ausnahmezustand!

Mit Ruhestörung muß man mir an Schützen nicht kommen. Ich lebe in 2 – 3 Steinwürfen Entfernung vom Festplatz, mit einer Reihe Parkplätzen vor meiner Wohnung. Was da morgends zwischen 2:00 und 7:00 Uhr abgeht, wenn die alkoholisierten Ihre Autos holen (Ja, meine Herren Polizeiapparat, das wäre ein Platz für Alkoholkontrollen, ich prophezeie reiche Ernte!), oder auch schon früher am Abend, wenn lautstark um Parkplätze gestritten wird, das ist ein Fest! Ich bin schon ganze Schützennächte auf dem Balkon gesessen und habe nur zugehört und beobachtet. Das war interessanter als das ganze restliche Schützen!

Ich rufe die Stadt Biberach dazu auf, die Verantwortung für unser bisher unbestritten gesittetes Fest wieder in die Hände der Menschen zu legen, denen Schützen ein Anliegen ist: In die Hände der Bürger! Dass dabei die Kontrolle der öffentlichen Ordnung dem dafür eingesetzten Amt obliegt, ist klar. Und dass sich eine Stadtverwaltung / Ordnungsamt nicht aus der Verantwortung stehlen kann auf Kosten der Wirte und der Festbesucher sollte klar sein. Verantwortung deligieren: Auch gut. Und hier sind wir schon bei den Wirten, die meiner Beobachtung nach einem alkoholisierten Jugendlichen bestimmt weder harte Sachen noch Bier ausschenken, sondern eher mit den Worten „Du hast genug“ nach Hause schicken.

Wir müssen über den Rahmen der Verantwortlichkeit reden. Denn „alle Macht geht vom Volke aus“, und nicht von übervorsichtigen Beamten, denen ein „Fest der Restriktionen“ lieber ist als das, was wir in unserem Schützenfest sehen: Einen d e r Gründe, warum wir unsere Stadt so lieben. Und das hat nichts mit Wirten, Sicherheit, Gewinn, Kosten oder ähnlichem zu tun. Sondern nur mit uns Bibern. Herr Fettback, zeigen Sie uns, dass auch Sie zu den Bibern gehören. Denn sonst sind Sie auf dem falschen Posten.

von Uwe Forschner / weberberg.de

2 thoughts on “Biberacher Schützenfest – Ausnahmezustand, oder zum schießen…

  1. ein wirklich gelungener Text, der gekonnt auf die Gefahren der „für Ordnung sorgenden“ Security hinweist… Dass auf einer Veranstaltung wie dieser, in einer Provinzstadt, in der eigentlich nicht die Großstadtanonymität herrscht, Übergriffe von gewaltbereiten Securitymännern auf volltrunkene Jugendliche stattfinden.
    So wurde dieses Jahr ein schmächtiger Jugendlicher, der weder Herr der Lage, noch seines Körpers war von einem Security gewürgt, bis irgendwann auch den anderen „starken Männern“ bewusst wurde, das besagter nicht vorhatte aufzuhören und so schließlich eintraten…

  2. War es dieses Jahr wieder „stressig“? Ich kenne einen der „Security-Firmen“ die letztes Jahr dort gearbeitet hat. Das war definitiv kein Mitarbeiter hiervon.
    Wäre mal interessant, ob es dieses Jahr besser funktioniert hat. Laut Presse (Schwäbische Zeitung) eher nein, da es mehr Ärger gab, z.B. mit Ordnungsamt und Polizei.

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